„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.“ Ich glaube diese Binsenweisheit meiner Großmutter habe ich im Laufe der Jahre hier schon einige Male zitiert.
Heute habe ich einiges zu erzählen, denn der Ort von dem ich Euch heute berichte hat mich sehr beeindruckt, wie selten ein Ort, den ich besucht habe. Ich bin im Laufe der letzten 20 Jahre viel rumgekommen, habe fremde Länder besucht, die verschiedensten Landesküchen probiert und Sitten und Bräuche kennengelernt. Doch einen Satz meines Großvaters habe ich dabei immer im Ohr: „Bevor Du in die weite Welt reist, schau Dir erst einmal an, woher Du kommst und wo Du lebst.“
Und Recht hat er! Deutschland ist ein tolles Reiseland und hat nicht nur ausländischen Touristen eine Menge zu bieten. Und damit meine ich nicht nur das Oktoberfest und Schloss Neuschwanstein.
Wer oder was ist eigentlich dieser Fläming?
Hättest Du mich das vor ein paar Monaten noch gefragt, hätte ich Dich mit fragendem Blick angeschaut. Fläming? Ist das nicht dieser Schriftsteller aus dessen Feder Chitty Chitty Bang Bang* und der wohl bekannteste Spion seiner Majestät, James Bond*, enstammen?
Aber nein! Das war Ian Fleming. Und auf gar keinen Fall zu verwechseln mit dem Fläming.
Der Fläming ist ein Höhenzug, der während der Eiszeit einstand und sich über das südwestliche Brandenburg und östliche Sachsen-Anhalt erstreckt.
Ein besonderes Dorf am Rande des Fläming
Am Rande des Fläming, gut 60 km südlich von Berlin, im Baruther Urstromtal, liegt das Museumsdorf Baruther Glashütte.
Genau hier an diesem Ort, an dem übrigens Anfang des 20. Jahrhunderts von Reinhold Burger die Thermoskanne erfunden wurde, entstand 1716 die Baruther Glashütte.
300 Jahre später ist das Dorf nicht nur ein belebtes und beliebtes Museum, sondern wohl auch der schönste Glasmacherort Europas. 20 Handwerker und Künstler haben sich heute hier mit ihren Familien angesiedelt, denen Besucher gerne über die Schultern schauen dürfen. Sie fertigen Glaskunst, handgemachte Seifen, Papeterie, Stoffe, backen Tartes und Kuchen, töpfern und bieten ihre mit viel Liebe und Leidenschaft gemachten Produkte feil.
Anfang Juni habe ich mich auf den Weg gemacht nach Brandenburg, um dem Dorf und seinen Bewohnern einen Besuch abzustatten. Nicht nur um ihnen bei der Arbeit zuzuschauen, sondern um auch selbst kreativ zu werden.
Wer möchte, und ich kann jedem nur wärmstens empfehlen hier einmal ein paar Tage (oder Wochen) zu verbringen, findet direkt im Dorf die passende Unterkunft: Ob in der Museumsherberge, im Gasthof Reuner bei Christian Reuner und seinem Team, bei Herrn Nehring im Gästehaus Neunlinden oder bei Cordula Albrecht in ihrem „Rostige Zeiten„. Letzteres kann man übrigens auch via Airbnb buchen.
Ich habe mich für meinen Aufenthalt bei Herrn Nehring einquartiert und muss sagen, ich habe mich dort sehr wohlgefühlt. Ich muss sogar so weit gehen, dass ich dort so gut wie lange nicht geschlafen habe und mich, trotz vollem Programm, wunderbar erholt habe.
Ich mag den Charme des alten Gemäuers sowie den Mix aus alt und neu. Zugegeben, es ist für einen Blogger sehr schwierig ohne WLAN und Anschluss ans mobile Telekommunikationsnetz, aber spätestens am Ende des zweiten Tages schaltet man komplett ab und gibt sich dem „Digital Detox“ voll und ganz hin. Auch der Fernseher, von dem ich mich sonst zum Einschlafen berieseln lasse, habe ich überhaupt nicht vermisst. Hier hätte ich es definitiv länger ausgehalten und habe mir fest vorgenommen wiederzukommen.
In Baruther Glashütte gibt es viel zu erleben!
Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, so viele tolle, besondere Eindrücke habe ich hier gesammelt. Manche Dinge sind schwer in Worte zu fassen und ich hoffe, ich werde dem irgendwie gerecht. Eigentlich musst Du selbst hierherkommen und Dir Dein eigenes Bild machen.
Glas, Glas und nochmal Glas.
Wie sollte es anders sein, der Name verrät es schon, kann man hier live dabei sein, wie aus glühend heißem flüssigen Glas Schalen, Vasen, Schüsseln und Gläser gefertigt werden. Im Glasstudio neben dem Museum zeigen Glasmacherin Stephanie und Glasmacher Christoph ihr Handwerk.
Hier geht es im wahrsten Sinne des Wortes heiß her und wer mag, kann gemeinsam mit den Glasmachern seine eigene Glaskugel herstellen.
Achtung: Im folgenden liest du über den Dorfschmied Peter Steinfurt. Ich habe kürzlich erfahren, dass Herr Steinfurt verstorben ist und es das Angebot im Museumsdorf nicht mehr gibt. Dennoch erinnere ich mich gerne an das Erlebnis, daher habe ich mich entschieden, den Absatz so beizubehalten. In schöner Erinnerung and den Dorfschmied.
Ein Mann, ein Schmied.
Wenn Du am Haus von Peter Steinfurt vorbeigelaufen bist, wusstest Du sofort: Hier kann nur der Dorfschmied wohnen. Auf dem Foto erkennst Du es jetzt nicht, aber sein Vorgarten beheimatete diverse geschmiedete Figuren und Skulpturen.
In seiner Werkstatt ein paar Schritte weiter, konntest Du ihm über die Schulter schauen oder sogar mit ihm gemeinsam Dein eigenes Messer schmieden. Mit einem großen, schweren Hammer, der dem des großen Donnergottes Thor gewiss in nichts nachsteht, hast Du im Feuer zum Glühen gebrachtes Eisen bearbeitet, bis Du mit Peters Hilfe ein Messer geformt hast. Ein großer Spaß, wie ich finde und als ich mein eigenes aus eigener Kraft „geschlagenes“ Messer in den Händen hielt, war ich schon ein wenig stolz.
Es grünt so grün…
wenn Spaniens Blüten….. ähm, nein, natürlich nicht. Es grünt so grün, wenn Axel Rottstock seine Teller, Tassen und Krüge aus dem Brennofen holt. Seine kleine Töpferei mit Café, wo Du Kleingebäck und leckere Kaffeespezialitäten bekommst, lässt das Herz eines jeden Geschirr-Liebhabers höher schlagen. Teller in den verschiedensten Größen, Tassen, Becher, Krüge, Schüsseln und Schälchen. Hier findet jeder das passende und auch ich habe hier ohne mit der Wimper zu zucken, die Kreditkarte gezückt. Als Foodblogger kann man nie genug Geschirr im Schrank haben. Es ist schon etwas besonderes, wenn man seine Leckereien auf handgefertigten Unikaten fotografieren kann.
Kaffee und Kuchen in der Pott-eria werden natürlich stilecht auf dem Geschirr der Manufaktur serviert.
Albertine steht für die süße Verführung
Mathias Maiwald ist der Herr der Tartes und Torten im Museumsdorf. In seinem Schokoladen Paradies, der „Albertine“ findest Du Schokoladen und andere süße Köstlichkeiten aus aller Welt. Du musst unbedingt seine berühmt berüchtigte Schokoladentarte probieren oder seine heißen Schokoladenspezialitäten, urig serviert in alten Sammeltassen. Ein Besuch bei Mathias ist ein echtes Erlebnis und es war mir eine große Freude mit ihm über Kuchen zu fachsimpeln. Seine Leidenschaft für Schokolade hat mich beeindruckt.
Keine Kräuterhexe, sondern ein Kräutergarten
Im „Kräutergarten“ von Carsten Nienaber findest Du Kräutertees, Heilkräuter, Gewürze und Gewürzmischungen, Essige und Öle, Honig, sowie ein großes Sortiment an ätherischen Ölen, Räucherharzen und -hölzern
Der Kräuterladen des Museumsdorfes bietet während der Saison eine Vielzahl an heimischen und exotischen Nutz- und Zierpflanzen zum Kauf an. Außerdem bekommt man hier im Frühjahr auch historische, seltene und außergewöhnliche Jungpflanzen.
Schönes, Geschriebenes, Gedrucktes
Im Hüttenwerk 4, dem Laden von Christiane Wendt-Teschner findest Du feine Papeterie, Etiketten, mundgeblasenes Glas, Porzellanschmuck und allerhand Handarbeiten, wie handgewebte Läufer und gestrickte Kissen. Christiane macht neuerdings auch Shibori, eine japanischen Färbetechnik. Ihre Tochter fertigt gemeinsam mit einer Glasmacherin einzigartige Glasobjekte und vermählt altes Porzellan mit handgefertigtem Glas.
Hier gibts die Seifee.
Ja Du hast richtig gelesen: Im Museumsdorf Bartuther Glashütte findest Du die Sei“Fee. Hier bekommst Du handgefertigte Seifen in allen erdenklichen Aromen. Ein Fest für die Sinne, sage ich Dir und es war noch nie so „dufte“ sich die Hände zu waschen.
Shopping in Glashütte
Überall im Museumsdorf kannst Du die Kunstwerke der Bewohner käuflich erwerben. In liebevoll eingerichteten Lädchen bieten sie ihre Waren feil. Schau unbedingt beim Puppendoktor vorbei oder im Leinenkontor. Neben dem Museumsshop gibt es hier noch „Atelier und Wunderkammer“ und WOjLOK, feines aus Filz.
Im Ros(t)ige Zeiten von Cordula findest Du urige Garten-Accessiores und Innendekorationen aus Filz und kannst bei Ihr einen Filz-Workshop machen. In der Galerie Packschuppen findest Du jede Menge Kundhandwerk und kannst Dein eigenes Glasperlenarmband herstellen.
Essen und Trinken im Museumsdorf
Albertine und Pott-eria habe ich ja schon erwähnt. Den Gasthof Reuner habe ich Dir als Unterkunft genannt. Natürlich kannst Du bei Christian auch ganz fantastisch essen, so wie es sich für einen Gasthof gehört. Das Gemüse wird größtenteils selbst angebaut, das Brot wird im dorfeigenen Backhaus gebacken, hier wird selbst gewurstet und und und. Die Spezialitäten der Reuners bekommst Du auch im kleinen Dorfkonsum. In eine andere Zeit versetzt kannst Du dort alles einkaufen, was Du brauchst, wenn Du in deiner Ferienunterkunft im Dorf selber kochen möchtest.
Unser täglich Brot gib uns heute
Das selbstgebackene Brot der Reuners ist nicht nur unheimlich lecker, Gruppen und Schulklassen haben die Möglichkeit selbst zu Werke zu gehen und sich am Brotbacken zu versuchen. Herr Reuner Senior hält den ein oder anderen Tipp bereit.
Im Wein liegt der Geist der Wahrheit
Gesellig wirds im Weinkontor, dort bekommst Du eine große Auswahl guter Weine und Slow Food aus der Region. Nimm teil an Weinverkostungen oder Seminaren oder genieße ein leckeres Bio-Frühstück an Sonn- und Feiertagen.
Glaskugel herstellen, Messerschmieden, Weinverkosten, Bildhauen, Schlemmen und Shoppen. Vieles kannst Du hier im Museumsdorf oder in der Region drumherum erleben, aber das was dieses Fleckchen Erde zu etwas besonderem macht, sind die Menschen, die hier leben und die mit Leidenschaft und Herzblut dieses Dorf zu dem machen, was es ist.
Ich kam als Gast und hatte das Gefühl, ich ging als Freund. Ich wurde an noch keinem Ort so offen und warmherzig empfangen. Für viele Leute, besonders die, die nicht ganz so internetaffin sind, wie wir selbst, sind wir Blogger befremdliche Wesen, die ihr Essen fotografieren und öffentlich zu Schau stellen, die oft schräg von der Seite beäugt werden und deren skurile Internetauftritte man nur schwer nachvollziehen kann.
Die Bewohner waren neugierig und wissbegierig und haben sich auf ein besonderes Experiment eingelassen: Sie haben 6 Blogger(Innen) und einen verrückten Fotografen in ihr Dorf eingeladen, um zu zeigen, was sie tun und wie sie leben. Abgesehen davon, dass ich (ja, ich wurde damit sogar ein wenig aufgezogen von den anderen) gefühlt den Umsatz der Dorfes durch meine Shopping- Eskapaden signifikant gesteigert habe und mich im Nachgang an meinen Einkäufen erfreuen und somit an die wunderbare Zeit erinnern kann, zehre ich besonders von der Erinnerung an den „Abend bei Freunden“. Denn die Dorfbewohner haben die Alte Hütte des Dorfes geöffnet, selbstgemachte Leckereien zusammengetragen und eine Party für uns veranstaltet. Die Liebe zum Detail war dabei kaum in Worte zu fassen. Die beiden Meister des Feuers, die Glasmacher Stephanie und Christoph haben für uns Stockbrot über dem offenen Feuer gemacht.
Ich glaube, meine Reisebegleiter Lisa von mein feenstaub, Lu von Luloveshandmade, Laura von Herz an Hirn, Anni und Flo von Freiseindesign, Inka von blickgewinkelt und unser Fotograf Greg sind meiner Meinung, dass dieses Dorf der perfekte Ort ist, um der lauten Stadt zu entfliehen, Geschichte zu erleben, kreativ zu sein und sich einfach treiben zu lassen.
Im Sommer gibt es übrigens immer einen großen Flohmarkt im Museumsdorf. Ich wäre nur zu gern dort gewesen um auf „Schatzsuche“ zu gehen. Im Dezember findet ein großer Weihnachtsmarkt statt.
Während ich diese Zeilen schreibe, packt mich die Sehnsucht nach diesem Dorf und ich denke an die schöne Zeit, die ich dort hatte und ich wünsche mich zurück. Ich komme ganz bestimmt wieder, das ist klar und ich hoffe, dass ich nicht so lange warten muss.
Ich danke an dieser Stelle nochmal allen, die diese Reise möglich gemacht haben. Daniel, Catharina und Antje vom Tourismusverband Fläming voran und natürlich den Dorfbewohnern.
Demnächst habe ich noch ein paar Ausflugstipps für Euch, denn der Fläming hat eine Menge zu bieten. Nicht nur tolle Menschen und wunderschöne Landschaften.
Das Brot, die Konfitüre und die Hausmacherwurst, die ich im Dorfkonsum gekauft habe, sind natürlich längst verspeist, aber Axels tolle Teller und Tassen und die handgefertigten Gläser aus dem Museum zieren regelmässig meinen Frühstückstisch.
Bis bald,
Tobias
Lu meint
Lieber Tobi,
toller Blogpost mit so vielen schönen Bildern. Da bekomme ich gleich wieder Reise-Weh! Das waren fantastische Tage an einem wundervollen Ort mit super Menschen! Hach!
Ich drück dich!
Lu